Es gab Beweise, dass die Strafzumessung der USA einer Lotterie glich.

Im Jahr 1973 lenkte Marvin Frankel, ein berühmter US-Richter, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Problem.

Studien hatten festgestellt, dass das Strafmaß unter anderem davon abhängig war, ob Richter:innen gerade hungrig waren oder nicht. Vor dem Mittagessen urteilten sie strenger.

Als Gegenmaßnahme wurden Leitlinien eingeführt, anhand derer das Strafmaß für ähnliche Taten einheitlicher ausfallen sollte.

Die Maßnahme zeigte Erfolg. Der durchschnittliche Unterschied der Dauer des Strafmaßes fiel von 17 % auf 11 %.

Die Richter:innen waren mit den Leitlinien aber nicht glücklich. Sie fühlten sich in ihrer Arbeit und Urteilsfähigkeit eingeschränkt. Sie glaubten, ohne die Leitlinien besser und freier entscheiden zu können.

Im Jahr 2005 wurden die Leitlinien zu unverbindlichen Entscheidungshilfen degradiert.

Der durchschnittliche Unterschied der Dauer des Strafmaßes für ähnliche Straftaten verdoppelte sich daraufhin.1

Und was hat das nun mit den Bausteinen für starke Storys zu tun?

Mit der Geschichte will ich eine Art der Kritik an Bausteinen und Story-Vorlagen entkräften. Sie lautet in etwa so: „Das schränkt meine Kreativität ein. Dann klingt meine Geschichte so wie alle anderen.“

Das ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall.

Durch das Nutzen von Bausteinen und Mustervorlagen können wir kreativer arbeiten. Wir haben mehr Energie für die kreative Arbeit übrig, da wir weniger Energie für die Grundelemente der Geschichte aufbringen müssen.

Denke an Lego.

Als Kind habe ich gerne und viel Lego gespielt. Ich habe mir etwas überlegt – und es dann gebaut.

Einmal war es ein Formel-1-Auto (das in meiner Erinnerung richtig gut aussah) und ein andermal wollte ich nach einem Besuch im Gardaland eine Achterbahn bauen. Daran bin ich gescheitert.

Was ich mir aber nie dachte: Es gibt zu wenig unterschiedliche Bausteine.

Es ist erstaunlich, wie viele Dinge ich mit Lego bauen konnte – und dabei immer auf dieselben wenigen Grundbausteine zurückgriff.

Ich zeige dir die Grundbausteine starker Storys, mit denen du alle möglichen überzeugenden und begeisternden Geschichten erzählen kannst.

Wir beginnen mit der …

Struktur

Geschichten folgen einer bestimmten Struktur, die sich über viele Jahrtausende entwickelt und bewährt hat.

Joseph Campbell hat die Strukturen von Geschichten in seinem Buch The Hero With A Thousand Faces analysiert und ein immer wiederkehrendes Muster entdeckt. Wir kennen es als: Die Heldenreise.

Warum wir die Heldenreise als Schablone für unsere Geschichten verwenden sollten?

Das lassen wir Christopher Vogler erklären, der das Buch Die Odyssee der Drehbuchschreiber geschrieben hat:

„Derartige Geschichten spiegeln eben die Funktionsweise des menschlichen Geistes wider, sie sind getreue Pläne der Seele. Sie sind auch dann noch psychologisch gültig und emotional überzeugend, wenn es darin um fantastische, unmögliche oder unwirkliche Ereignisse geht. Daraus ergibt sich die universelle Kraft solcher Geschichten. Von einer Geschichte, die dem Modell der Reise des Helden nachgebildet ist, geht etwas aus, das alle Menschen empfinden können, weil es dem universellen kollektiven Unbewussten entspringt und universelle Befindlichkeiten widerspiegelt.“

Die Heldenreise ist sehr komplex und wird für den Aufbau fiktionaler Geschichten, Epen oder Mythen verwendet.

Um sie auch für persönliche Geschichten, Blog-Artikel und fürs Business-Storytelling nutzen zu können, vereinfachen wir sie. Wir starten mit dem …

Konflikt/Problem

Am Anfang jeder Geschichte steht ein Konflikt oder ein Problem.

„Ich will in meiner Business-Story aber nicht von Problemen und Konflikten erzählen.“

Diese Angst haben viele Unternehmer:innen. Sie ist unbegründet und schadet ihnen sogar.

Ohne Problem/Konflikt gibt es keine Geschichte. Punkt.

Außerdem sorgt das Problem für Aufmerksamkeit.

Für dein Zielpublikum ist der Konflikt, den du am Anfang der Geschichte erzählst, ein unübersehbares Stoppschild. Der Konflikt erinnert sie an ihren Konflikt oder ihr Problem – und das wollen sie lösen.

Das Problem ist der Grund, warum deine Hauptfigur aktiv werden muss. Sie beginnt mit einer …

Aktion

Deine Hauptfigur beschließt, etwas gegen das Problem zu unternehmen. Erzähle deinem Publikum von diesem Moment. Beschreibe ihn so, dass sich dein Publikum die Szene, die Umgebung und die Gedanken deiner Figur vorstellen kann.

Achte auf Details:

  • Wo befindet sich deine Hauptfigur?
  • Wie sieht ihre Umgebung aus?
  • Was denkt sie gerade?

Werde nicht ausschweifend. Zwei bis drei wichtige Details reichen aus. Dann kann sich dein Publikum die Szene vorstellen und sich in deine Hauptfigur hineinversetzen. Die „Lücken“, die deine Erzählung hinterlässt, werden ohne Aufwand von deinem Publikum ausgefüllt.

Der Moment soll sie inspirieren, auch aktiv zu werden, eine Entscheidung zu treffen, ein Produkt zu kaufen.

Durch den Moment der Entscheidung wird deine Hauptfigur aktiv und versucht, ihr Problem zu lösen. Das führt sie zum …

Scheitern

Ja, deine Hauptfigur soll und darf scheitern.

„Ich will aber nicht vom Scheitern erzählen, sondern meine Dienstleistung verkaufen.“

Niemand identifiziert sich mit Figuren, bei denen alles immer beim ersten Versuch klappt. Dein Publikum soll sich aber mit deiner Hauptfigur identifizieren.

Deshalb: Lass deine Figur scheitern. Dein Publikum wird eine emotional tiefe Verbindung zu ihr aufbauen.

Natürlich benutzt sie noch nicht dein Produkt oder deine Dienstleistungen – deshalb scheitert sie.

Außerdem empfinden wir Menschen relativ. Das Scheitern macht das Glücksgefühl beim Lösen des Problems später in der Geschichte umso intensiver.

Nach dem Scheitern macht sich deine Hauptfigur auf die …

Suche

Sie gibt nicht auf und startet einen neuen Versuch. Das Risiko ist umso größer, da sie schon einmal scheiterte. Jetzt muss es klappen.

Durch die Struktur baust du Spannung auf.

  • Wird es dieses Mal klappen?
  • Hat sie noch genügend Geld übrig?
  • Wird sie die Freundschaft zurückgewinnen?

Das ist der Zeitpunkt, um den Scheinwerfer auf dein Produkt oder deine Dienstleistung zu richten – denn hier kommt die …

Lösung

Halte den Moment für dein Publikum fest. Verlangsame das Tempo. Erzähle detailreich, wie deine Hauptfigur zu deinem Produkt gefunden hat und was ihr dabei durch den Kopf ging.

Durch den Konflikt am Anfang der Geschichte hast du dein Zielpublikum gefiltert. Diejenigen, die das Problem oder den Konflikt haben, werden deiner Geschichte aufmerksam folgen.

Der Augenblick der (Er)-Lösung wird für sie der Auslöser sein, zuzugreifen. Sie werden empfinden, was deine Hauptfigur empfindet. Du hast also die Macht, die Emotionen deines Publikums zu steuern. Nutze die Möglichkeit und führe dein Publikum zum …

Erfolg

Deine Hauptfigur hat ihren Konflikt oder ihr Problem überwunden und Erfolg stellt sich ein.

Die Szene ist oft eine gespiegelte Szene des Anfangs.

Saß deine Hauptfigur zu Beginn der Geschichte vor ihrem Laptop – draußen war es dunkel und kalt –, und wusste nicht, wie sie die Rechnung des Hosting-Providers bezahlen sollte, so sitzt sie nun wieder vor ihrem Laptop. Die Vormittagssonne strahlt auf ihr Gesicht und sie schreibt die Rechnung für die neue Kundin, die sie erfolgreich betreut hat.

Denke daran: Durch das Scheitern vorher in der Geschichte schmeckt der Erfolg umso süßer.

Nutze K-A-R-L

Ich habe die Struktur für starke Powerstorys noch etwas vereinfacht. Mit Akronymen macht es außerdem mehr Spaß und wir erinnern uns leichter (und schneller) daran. So ist K-A-R-L entstanden.

Wenn du wissen willst, wer oder was K-A-R-L ist, dann besuche meinen Guide StorytellingOS Quickie.

In neun kurzen Kapiteln zeige ich dir, wie du deinen Storys mehr Power verleihst. Ich schweife nicht aus, ich blase nicht auf – ich erzähle nur das Nötigste, um deiner Storypower schnell mehr Kraft zu geben.

Die Grundelemente

Hauptfigur

Deine Geschichte braucht eine Hauptfigur. Es ist die Figur, mit der sich dein Publikum identifiziert.

Sie soll nicht perfekt sein – sie soll Makel und Fehler haben. Ecken und Kanten, an denen sich dein Publikum festhalten kann.

Jede Hauptfigur braucht aber eine bestimmte Charaktereigenschaft: Sie muss aktiv sein.

Nur aktive Figuren bringen die Geschichte voran. Dafür braucht es immer einen …

Konflikt

Ich wiederhole mich, aber: Ohne Konflikt, keine Geschichte.

Der Konflikt muss ein zentrales Element deiner Geschichte sein.

Anders formuliert: Der Konflikt ist deine Geschichte.

In der Theorie der 3-Akt-Struktur gibt es den sogenannten Inciting Incident. Das ist der Moment, in dem der Konflikt direkt auf deine Hauptfigur einwirkt und sie beschließt, aktiv zu werden. Das setzt die Geschichte in Gang.

Der Inciting Incident passiert üblicherweise an der 10%-Marke deiner Geschichte:

  • Katniss Everdeen meldet sich freiwillig anstelle ihrer Schwester für die Hungerspiele.
  • Frodo erfährt von Gandalf, dass der Ring, den er besitzt, der eine Ring ist.
  • Die Gründer von Airbnb brauchen Geld und haben die Idee, während einer bekannten Designkonferenz Luftmatratzen in ihrer Wohnung zu vermieten.

In Werbungen oder Business-Storys, in denen du wenig Zeit für die Erzählung hast, ist der Moment, in dem der Konflikt deine Hauptfigur überrollt, oft der Startpunkt der Geschichte.

Du hast aber nicht nur ohne Konflikt keine Geschichte, sondern auch nicht ohne …

Veränderung

War deine Hauptfigur zu Beginn der Geschichte einsam; findet sie am Ende einen liebevollen Partner.

Hatte sie kein Geld mehr, um ihre Rechnungen zu bezahlen; schreibt sie am Ende eine Rechnung an eine neue Kundin.

Die Veränderung tritt auf zwei Ebenen auf. Einerseits verändert sich deine Hauptfigur. Sie lernt etwas dazu, lernt neue Prozesse kennen, ändert ihr Verhalten. Und zweitens ändert sich der Konflikt – er wird gelöst.

Deshalb ist es so wichtig, dass deine Figur Fehler und Makel hat und einen Konflikt durchlebt. Nur dann kann sich deine Figur und die Situation, in der sie steckt, verändern.

Risiko

Erst das Risiko macht die Geschichte spannend. Denn warum sollte deine Hauptfigur aktiv werden, wenn sie nichts zu verlieren hat?

Du fährst in Urlaub und hast Sorge, dass deine Avocado-Pflanze austrocknet? Das wäre vielleicht traurig, weil du sie über Jahre hochgezogen hast, ist aber nicht der Stoff für eine Geschichte. Das Risiko ist noch groß genug.

Du willst Lebensmittel kaufen und der Automat an der Kassa lehnt deine Karte ab, weil du kein Geld mehr hast? Das ist Risiko.

Drew Eric Whitman schrieb in seinem Buch Cashvertising:

Human beings are biologically programmed with the following eight desires:

1. Survival, enjoyment of life, life extension.
2. Enjoyment of food and beverages.
3. Freedom from fear, pain, and danger.
4. Sexual companionship.
5. Comfortable living conditions.
6. To be superior, winning, keeping up with the Joneses.
7. Care and protection of loved ones.
8. Social approval.

Wenn das Risiko auf eine oder mehrere dieser Kategorien deiner Hauptfigur einwirkt, dann hast du eine erzählenswerte Geschichte.

🪢 AiA: Aktionen im Alltag

  • Nutze Bausteine und Mustervorlagen. Sie schränken deine Kreativität nicht ein. Sie geben dir Freiheit für das, worauf es ankommt: Den Inhalt deiner Geschichte.
  • Folge der bewährten Struktur. Sie hat sich über Jahrtausende entwickelt. Sie funktioniert, also nutze sie.
  • Kontrolliere deine Grundelemente. Sind alle da? Sie sind keine Optionen, sondern Voraussetzungen für starke Storys.
  • Lass dich nicht ablenken. Kümmere dich nicht zu viel um Theorie (und Wahnsinn). Schreibe die Story. Nur eine geschriebene Story kann zur Powerstory werden.

Im zweiten Teil zeige ich dir weitere simple, aber unverzichtbare Bausteine, um deine Storys zu wahren Powerstorys zu machen (und wie Pixar es macht).

Und jetzt:
Lass dich überzeugen.
Sei überzeugend.

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  1. Die Geschichte stammt aus dem Buch Noise von Daniel Kahnemann ↩︎
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