Die Heldenreise – Anker und Ballast
Geschrieben von Daniel Singer-Urak

Die Heldenreise – Anker und Ballast
Geschrieben von Daniel Singer-Urak

Inhaltsverzeichnis

Audiences purchase your work because of your concept, but they embrace it because of your characters.

Jede Geschichte braucht einen Helden, jede Geschichte braucht eine Heldin. Diesen Satz haben wir schon etliche Male gehört – er klingt logisch. Aber…


Warum brauchen wir einen Helden? 

Welche Eigenschaften muss eine Heldin mitbringen?

Welche Stadien durchläuft der Held im Laufe der Geschichte?


High Concept vs. Character

In (digitalen) Bibliotheken und auf Reisen durch die Untiefen der Internets habe ich eine Menge Material gefunden, das über Plot Structures und den Aufbau von Geschichten spricht.

Es gibt viele Modelle, die den Aufbau von Geschichten beschreiben, von einfach bis komplex. 


Eine einfache Variante ist die klassische 3-Akt-Struktur.

Etwas komplexer wird es bei der Heldenreise.

Und sehr detailliert bei den 22 Steps von John Truby.


In allen Büchern geht es um Helden. Aber der Figurenentwicklung – wer sie sind, wie sie zueinanderstehen und welche Aufgabe sie haben – wird wenig Zeit gewidmet.


Erst die Kombination aus Konzept bzw. Struktur und Figurenentwicklung lässt eine Geschichte lebendig werden. Das Konzept schafft die Aufmerksamkeit, die Figuren fesseln uns. Es ist ein Balanceakt, der uns erst klar wird, wenn wir die extremen Enden beider Seiten betrachten. Als Experiment möchte ich Christopher Nolan und Quentin Tarantino in den Ring werfen.


Tenet von Christopher Nolan ist ein Film, den man als High Concept beschreiben kann. Das Konzept der Geschichte ist komplex, genauso wie dessen Funktionsweisen und die Auswirkungen auf die Figuren. Der Film verlässt sich zu 100% auf das Konzept, die Figuren sind egal. Das beweist uns der Held der Geschichte. Er hat keinen Namen. Im Film heißt er schlicht „The Protagonist“.


100% Plot vs. 0% Character.


Once upon a time in Hollywood ist, wie die meisten Filme von Quentin Tarantino, das genaue Gegenteil. Der Plot lässt sich in wenigen Worten erklären, die Geschichte ist sehr einfach strukturiert, man versteht sie ohne viele Erklärungen. Der Film lebt von seinen Figuren. Wir lernen sie kennen, fühlen mit ihnen, beobachten ihre Beziehungen, lachen, leiden und amüsieren uns über sie.


0% Plot vs. 100% Character.


Die Formulierungen sind natürlich überspitzt, dennoch befinden sich die Filme an gegenüberliegenden Enden vom Faden des Erzählens.


Menschen identifizieren sich mit Menschen

Matt Bird beschreibt es in seinem Buch The Secrets Of Story folgendermaßen:

„Audiences purchase your work because of your concept, but they embrace it because of your characters.”

Wir sollten also einen Mittelweg aus einem interessanten Konzept und interessanten Figuren finden – sofern wir nicht das außergewöhnliche Talent eines Christopher Nolan oder Quentin Tarantino haben.


Was zur Heldin?

Die Heldin ist die eine Person, mit der sich das Publikum identifiziert. Das heißt aber nicht, dass es hinter dem großen Ziel der Heldin stehen muss. Als Beispiel nennt Matt Bird die Hauptfigur aus Breaking Bad – Walter White. Wir halten zu ihm, obwohl wir seine Methoden nicht gutheißen. Er ist ein klassischer Antiheld, eine schwer zu schreibende Figur.


Ein Merkmal sollte jede Heldin haben: Sie muss aktiv sein.

 

Passive Figuren wirken träge, mit einer aktiven Figur können wir uns besser identifizieren. Entweder weil wir ebenfalls eine aktive Person sind oder weil wir gerne aktiv wären. Wir können nichts falsch machen – reward without risk.

 

Konflikt ist ein weiteres Element, dass in keiner Geschichte fehlen darf. In der Realität versuchen wir Konflikte zu vermeiden, denn sie sind anstrengend und tun weh.


Eine Geschichte ohne Konflikte ist aber keine Geschichte.


Wenn eine Figur alles hat, was sie haben möchte, wenn alles so läuft, wie sie es sich wünscht, was erzählen wir dann?


Ein Konflikt ist gleichermaßen der Motor der Aktivität. Um ihn zu lösen, muss unsere Heldin etwas tun. Dadurch wird sie zu einer aktiven Figur – Ursache und Wirkung.


There and back again – die Heldenreise

Ja, ich habe gestohlen – von Tolkien und Bilbo Baggins.


Sein Buch mit dem Titel There and back again beschreibt Anfangs- und Endpunkt der Heldenreise. Der Held geht auf Reisen und kommt verändert zurück. Das öffnende Bild gleicht dem Schließenden, aber sie sind nicht gleich. Es hat sich verändert.


Dieses dazwischen ist unsere Geschichte.


Die einfachste Form der Strukturierung einer Geschichte ist die 3-Akt-Struktur. Sie ist folgendermaßen aufgebaut:


  1. Akt – These
    1. Öffnendes Bild / Gewohnte Welt
    2. Inciting Incident / Ereignis, das unseren Helden zum Handeln veranlasst
    3. 1st Plot Point / Übergang in den zweiten Akt – nun gibt es kein Zurück mehr
  1. Akt – Antithese
    1. Die Welt steht auf dem Kopf
    2. Mid-Point / Hier passiert ein weiterer Höhepunkt der Geschichte / das kann ein verlorener Kampf oder ein falscher Sieg sein
    3. 2nd Plot Point / Übergang in den dritten Akt
  1. Akt – Synthese
    1. Der finale Kampf
    2. Welten prallen aufeinander / Aus These und Antithese wird die Synthese
    3. Auflösung / Der Held kehrt zurück und ist ein anderer Mensch


Üblicherweise machen These und Synthese jeweils 25% und Antithese 50% der Geschichte aus. Nicht umsonst wird der Mittelteil gerne als „the marathon of the middle“ bezeichnet.


Zeit für Überforderung

So simpel, so gut. Das einfache Konzept lässt sich detaillierter Auflösen, in kleinere Schritte zerlegen um eine noch genauere Anleitung zum Storytelling und zur Strukturierung von Geschichten zu geben.


Die Rede ist von der Heldenreise, auf dessen Spuren sich Joseph Campbell in seinem Buch The Hero With A Thousand Faces begab. Darauf basierend entwickelte Christopher Vogler eine (leicht) vereinfachte Variante der Heldenreise, die er in seinem Buch Die Odyssee der Drehbuchschreiber beschreibt.


Warum wir die Heldenreise als Schablone für unsere Geschichten verwenden sollten?


Das lassen wir Christopher Vogler am besten selbst erklären:

„Derartige Geschichten spiegeln eben die Funktionsweise des menschlichen Geistes wider, sie sind getreue Pläne der Seele. Sie sind auch dann noch psychologisch gültig und emotional überzeugend, wenn es darin um fantastische, unmögliche oder unwirkliche Ereignisse geht. Daraus ergibt sich die universelle Kraft solcher Geschichten. Von einer Geschichte, die dem Modell der Reise des Helden nachgebildet ist, geht etwas aus, das alle Menschen empfinden können, weil es dem universellen kollektiven Unbewussten entspringt und universelle Befindlichkeiten widerspiegelt.“

Und jetzt – gut festhalten – werfen wir einen Blick auf alle Haltestellen der Heldenreise von Vogler, die ich mit John Trubys 22 Steps vergleichen möchte:


Christopher Vogler – Heldenreise John Truby – 22 Steps

Erster Akt

  • Gewohnte Welt
  • Ruf des Abenteuers
  • Weigerung
  • Begegnung mit dem Mentor
  • Überschreiten der ersten Schwelle
  • Self revelation, need, and desire
  • Ghost and story world
  • Weakness and need
  • Inciting incident
  • Desire
Zweiter Akt
  • Bewährungsproben, Verbündete, Feinde
  • Vordringen zur tiefsten Höhle / zum empfindlichsten Kern
  • Entscheidende Prüfung (Feuerprobe)
  • Belohnung
  • Ally or allies
  • Opponent and/or mystery
  • Fake-ally opponent
  • First revelation and decision: Changed desire and motive
  • Plan
  • Opponent´s plan and main counterattack
  • Drive
  • Attack by ally
  • Apparent defeat
  • Second revelation and decision: Obsessive drive, changed desire and motive
  • Audience Revelation
Dritter Akt
  • Rückweg
  • Auferstehung (Resurrektion)
  • Rückkehr mit dem Elixier
  • Third Revelation and decision
  • Gate, gauntlet, visit to death
  • Battle
  • Self-revelation
  • Moral decision
  • New Equilibrium


Ich möchte an dieser Stelle nicht auf jeden einzelnen Schritt eingehen. Dazu findest du im Internet unzählige Zusammenfassungen oder du liest die Bücher von Christopher Vogler und John Truby.


Viel lieber möchte ich mich selbst zitieren, nämlich meine Überschrift – Die Heldenreise – Anker und Ballast.

 

Es ist wichtig, ein grundlegendes Verständnis für den Aufbau von Geschichten zu haben. Die wichtigste (und einfachste) Struktur ist meiner Meinung nach die 3-Akt-Struktur. Sie gibt uns gewisse, klar definierte Momente, vor aber bleibt vage genug, um uns genügend Spielraum zum Experimentieren zu lassen.


Erst wenn wir an einer Stelle nicht mehr weiterwissen, halte ich es für ratsam, uns die komplexeren Modelle anzusehen, um daraus Inspiration für mögliche Verläufe der Geschichte zu bekommen.


Wir werfen einen Anker aus, sehen uns um, finden heraus wo wir uns befinden und entscheiden, wohin unsere Reise gehen soll. Der Anker ist aber schwer und er kann sehr schnell von einem nützlichen Tool zu Ballast werden.


Konstruier deine Geschichten nicht von Grund auf nach den komplexen Mustern – das kann schnell zu Überforderung und Verzweiflung führen (ich spreche aus Erfahrung). Verwende zum Starten ein einfaches System und wechsle erst zu einem umfangreicheren, wenn du in deiner Geschichte nicht mehr weiter weisst.


Enden möchte ich mit einem Beispiel. Analysen zeigen, dass sich Werbungen mit einer klaren Geschichte und Struktur beim Super Bowl deutlich besser gemerkt werden, als jene Werbungen ohne diese Struktur. Budweiser zeigt uns, wie es geht. Zum Beispiel mit der Werbung Lost Dog aus dem Jahr 2015.


https://youtu.be/Tu10xwlwWEk


Und jetzt:

Lass dich überzeugen.

Sei überzeugend.

Vielen Dank!

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